75 Jahre VSI
Der Verband Schmierstoff-Industrie e.V. (VSI) wurde vor 75 Jahren gegründet, damals als „Verband der Schmierfetthersteller“. Ein guter Anlass, um die Geschichte des VSI in kurzen Rückblicken noch einmal lebendig werden zu lassen.
Am 12. Februar 1947 schlossen sich in Hamburg 35 Fetthersteller zum VSI zusammen. Der Verband war nicht die erste gemeinsame Interessenvertretung der deutschen Schmierfett-Hersteller, bereits seit 1935 gab es im Rahmen der damaligen „Marktordnung" die Vereinigung der Fettfabrikanten Hamburg, zu der 57 Mitgliedsunternehmen gehörten. Von August 1943 bis Ende 1946 organisierte die Arbeitsgemeinschaft Schmierstoff-Verteilung GmbH, Hamburg (ASV), den Vertrieb der Maschinenfette ihrer Mitglieder. Die ASV wurde Anfang 1947 liquidiert; die Fettfabrikanten durften wieder selbständig wirtschaften und verkaufen. Wenige Monate zuvor, am 1. September 1946, hatte Hw. Siebert zusammen mit 15 Unternehmen in Westdeutschland eine Organisation ins Leben gerufen, die zur Vorläuferin des VSI wurde.
Ab Februar 1947 nahm dann der VSI als „Notgemeinschaft" die Interessen der Schmierfett-Hersteller in der ersten Nachkriegszeit wahr. Mitglieder kamen sowohl aus dem Mittelstand als auch aus den großen Unternehmen. Entsprechend wurde der Vorstand des VSI immer paritätisch besetzt.
Der Verband stand vor einer schwierigen Aufgabe. Die wirtschaftliche Lage war in Deutschland Ende der vierziger Jahre schlicht desolat. Das galt natürlich auch für den Schmierfett-Sektor.
„Die Versorgungslage für geeignete Fettstoffe ist nur noch als katastrophal zu bezeichnen, nachdem seit der Kapitulation Neuzufuhren überhaupt nicht zu verzeichnen waren, und die Bestände des deutschen Marktes seither stark beansprucht wurden, so daß in aller Kürze damit zu rechnen ist, daß die Herstellung der dringend benötigten Schmierfette eingestellt werden muß".
(Brief des VSI vom 12. März 1947 an das Verwaltungsamt für Wirtschaft in Minden)
Wichtigstes Anliegen des VSI war folglich,
„bei Fragen der Beschaffung von Mineralölen, Roh- und Hilfsstoffen im Rahmen der den Wirtschaftsverbänden zugestandenen Befugnisse beratend mitzuwirken".
(§2,1 der damaligen Satzung)
Der VSI bemühte sich, mitzuhelfen, durch eine gerechte Verteilung der im sogenannten „Fett-Topf" erfassten Fettrohstoffbestände, die Nachkriegsfettproduktion in Gang zu bringen. Zu den Schmierfetten gehörten damals alle Produkte, die natürliche Fette als Komponenten enthielten, also auch Bohr- und Schneidöle zur Metallbearbeitung.
Der älteste Geschäftsbericht des VSI stammt aus dem Jahr 1952. Damals zählte der Verband 68 Mitglieder. Anfang der 50er Jahre standen für die im VSI zusammengeschlossenen Unternehmen Zoll- und Steuerprobleme im Vordergrund; Stichworte: Mineralölsteuergesetz und eichamtliche Vermessung bzw. Beglaubigung der Lagergefäße für steuerbares Mineralöl. Auch die Preise für Fettstoffe, die sich Anfang 1952 fast halbierten, erschwerten das Fettstoffgeschäft. 1956, mit der Liberalisierung der Ein- und Ausfuhren, standen alle Produkte, die zur Fettfabrikation benötigt wurden, wieder in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Damit war die Hauptaufgabe des VSI als Notgemeinschaft erfüllt. Laut Satzung konzentrierte er sich nun auf
„die Wahrnehmung und Förderung der allgemeinen, ideellen, wirtschaftlichen und beruflichen Interessen der Mitglieder."
Dabei handelte es sich primär um
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Die Mitwirkung des Geschäftsführers und des technischen Sachverständigen-Ausschusses bei der amtlichen Normung von Schmierfetten und wasserlöslichen Metallbearbeitungsölen.
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Die Vertretung der Verbandsmitglieder bei Behörden, Körperschaften des öffentlichen Rechts und anderen wirtschaftlichen Vereinigungen.
Diese Aufgaben wurden in den folgenden Jahren zielstrebig verfolgt. Im Geschäftsbericht des Jahres 1962 konstatierte der Vorsitzende:
„Rückschauend ist festzustellen, daß sich das gemeinsame Vorgehen der Verbandsmitglieder in vielen Fällen günstig auswirkte."
Trotzdem wurde in diesen Jahren auch darüber diskutiert, ob es Sinn mache, den VSI als eigenständigen Verein weiter zu führen oder ob seine Aufgaben nicht ohnehin bereits von anderen Vereinen wie dem Mineralölwirtschaftsverband e.V. (MWV) oder dem Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V. (UNITI) wahrgenommen werden. 1963 stand deshalb bei der ordentlichen Mitgliederversammlung in Bad Harzburg die „Gretchenfrage" auf der Tagesordnung: Sollte der VSI aufgelöst werden oder nicht? Sämtliche Anwesenden stimmten für ein Weiterbestehen des Verbandes. Schwerpunkt der künftigen Arbeit sollte die Vertretung der gemeinsamen Interessen gegenüber der Bundesregierung und anderen Verbänden sein, unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verflechtung der europäischen Staaten.
Um die Wahrnehmung fachlicher Belange zu gewährleisten, wurde in Bad Harzburg auch die Tätigkeit des technischen Sachverständigen-Ausschusses reaktiviert. Außerdem nahm sich der VSI vor, auch künftig
„maßvoll in den finanziellen Anforderungen an seine Mitglieder zu sein".
Das gelang ihm über die Jahrzehnte hinweg bis in die jüngere Gegenwart, so wurden die Mitgliedsbeiträge zwischen 1981 und 1996 nicht erhöht. Die wesentliche Änderung trat mit der Neuausrichtung des VSI 2004 ein, doch davon später mehr. Allerdings ist auch der Verband nicht gegen finanzielle Verluste gefeit. So steht im Revisionsbericht von 1963:
„In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1963 wurde der Barbestand von rund DM 200 bis auf einen geringfügigen Restbestand aus den Räumen des Mineralöl-Zentralverbandes (MTV) gestohlen. Der MTV am Glockengießerwall erstattete aufgrund seiner Einbruchdiebstahl-Versicherung einen Betrag von DM 70,40".
In den ersten zwei Jahrzehnten des VSI stand die Produktgruppe „Schmierfett" eindeutig im Vordergrund. Danach eroberten die „wassermischbaren Kühlschmierstoffe" allmählich eine gleichberechtigte Position. Durch die wachsende Bedeutung von Arbeits- und Umweltschutz bei der Metallbearbeitung mussten sich Geschäftsführer und Technischer Sachverständigen-Ausschuss zunehmend mit Kühlschmierstoffen befassen.
Der Technische Sachverständigen-Ausschuss (TSA) lebt von der Beteiligung aller Mitglieder. Auch hier entwickelte sich der TSA vom Schmierfett-Expertengremium zu einer Industrieschmierstoff-Veranstaltung, die alle Themen von Gesetzen bis Technik abdeckt. Spezialthemen werden in Unterarbeitsgruppen delegiert. Eine Bestätigung der guten Zusammenarbeit im VSI ist das im Februar 1997 durchgeführte erste Seminar des Verbandes zum Thema Kühlschmierstoffe. Dieses Seminar wurde rege besucht und von allen Teilnehmern mit der Note „sehr gut" beurteilt. In den Folgejahren wurde das Seminarangebot auf Industrieschmierstoffe und Gesetzesthemen ausgeweitet.
Vom Schmierfett zum Schmierstoff
Als der VSI vor 75 Jahren gegründet wurde, entsprach der Verbandsname „Schmierfett-Industrie" den damaligen Zielsetzungen. Seitdem aber haben sich die Schwerpunkte der Verbandstätigkeit verlagert. Sie wurde auf die Industrieschmierstoffe allgemein ausgeweitet. Folgerichtig wurde deshalb auf der ordentlichen Mitgliederversammlung 1994 der Name des Verbandes in „Verband Schmierstoff-Industrie" geändert.
Die zog eine Satzungsänderung nach sich. Bisher waren nur Hersteller von Schmierfett und Kühlschmierstoffen als Mitglieder aufgenommen worden. Nach Beschluss der ordentlichen Mitgliederversammlung 1996 konnten jetzt generell Hersteller von lndustrieschmierstoffen dem Verband beitreten. Im Jahr 2003 wurde beschlossen, eine Geschäftsstelle mit hauptamtlichem Geschäftsführer und Sekretariat sowie Schmierstoffspezialisten einzurichten. Darüber hinaus können seit einem Mitgliederbeschluss im Jahr 2006 auch Firmen, die nicht selbst Schmierstoffe herstellen, dem VSI als Fördermitglieder beitreten, wenn sie z. B. Zulieferer sind.
Heute verbindet der VSI den größten Teil der inländischen Hersteller von Industrieschmierstoffen und einige Produzenten aus dem europäischen Raum, die ihre Schmierstoffe in der Bundesrepublik vertreiben mit einer Anzahl von Additivherstellern und anderen Zulieferern. Der Verband besteht aktuell aus 65 ordentlichen und 19 Fördermitgliedern.
Der Blick geht aber schon weiter: Die zunehmende Internationalisierung der Mitglieder und Märkte führte auch dazu, dass der VSI sich im europäischen Rahmen an den Diskussionen beteiligt. Der Beitritt zum europäischen Dachverband UEIL im Jahr 2012 war daher nur konsequent. Die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Verband ILMA sowie dem asiatischen Verband ALIA wird weiter verstärkt.
Blick in die Zukunft
75 Jahre Verbandstätigkeit des VSI sind nicht nur Anlass, um in die Vergangenheit zurückzuschauen, sondern auch, um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Folgende Eckpunkte werden das Geschäft der Mitglieder und damit auch die Arbeit des Verbandes bestimmen:
- Der Markt für Industrieschmierstoffe wird in Deutschland und Europa nicht weiter wachsen. Gründe dafür sind Rationalisierungen bei den Industriekunden, ferner Maschinen und Motoren, die mit kleineren Füllungen auskommen, längere Standzeiten und der Trend zu „Life-time"-Füllungen.
- Die von staatlicher Seite forcierte Elektromobilität wird zu einem Nachfragerückgang sowohl bei Betriebsflüssigkeiten (Motoren- und Getriebeöle etc.) als auch Produktionsflüssigkeiten wie Kühlschmierstoffe (Wegfall der Produktion von Motoren und Antriebssträngen) führen. Dem gegenüber ist der Bedarf an speziellen Schmierstoffen für E-Autos deutlich niedriger. Ganz anders wird die Schmierstoffwelt aussehen, falls der Staat eFuels als klimaneutrale Energiequelle anerkennt.
- Insgesamt hängt die Zukunft der Chemieindustrie im Allgemeinen sowie der Schmierstoffindustrie im Besonderen immer stärker von staatlichen Vorgaben und Umweltzielen ab. Sowohl bei Produkten als auch bei Grundstoffen sind Design und Verfügbarkeit immer mehr von der Gesetzeslage abhängig, wie z. B. der „Green Deal“. Dem gegenüber tritt beispielsweise die Performance von Schmierstoffen etwas in den Hintergrund.
- Es deutet sich ein Trend an, der über den Verkauf von Schmierstoffen hinausgeht zur Entwicklung von Schmiersystemen.
- Große nationale und internationale Hersteller werden sich auf Produkte mit vergleichsweise großen Marktvolumen konzentrieren und sich von Spezialitäten lösen, die einer aufwendigen Entwicklung und eines personalintensiven Service bedürfen.
- Mittlere und kleinere Hersteller werden die Entwicklung von Spezialitäten vorantreiben, um in spezifischen Marktsegmenten ihre führende Position auszubauen, da diese stärker von nationalen Gegebenheiten beeinflusst werden.
Die Zukunft der Schmierstoffindustrie hängt davon ab, ob und in welchem Umfang es gelingt, die Ertragskraft der Hersteller zu verbessern, die Qualität von Produkten und Service zu steigern und neue Verkaufskonzepte zu entwickeln. Der VSI wird seine Mitglieder auf diesem Weg weiterhin konstruktiv begleiten und seine Rolle als Sachwalter einer zielgerichteten Weiterentwicklung des Industrieschmierstoffgeschäfts wahrnehmen.